Höchster Reinheitsgrad für polarisierte Röntgenstrahlen erzielt

Helmholtz-Institut Jena eröffnet neue Möglichkeiten am europäischen Röntgenlaser European XFEL.

Ein Forschungsteam konnte am European XFEL in Hamburg polarisierte  Röntgenstrahlen mit nie dagewesener Reinheit erzeugen. An den  Experimenten waren neben Wissenschaftler*innen des Helmholtz-Instituts  Jena, einer GSI-Außenstelle, die Friedrich-Schiller-Universität Jena und  das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf beteiligt. Die Methode soll in  den nächsten Jahren genutzt werden, um zu zeigen, dass sich selbst das  Vakuum unter bestimmten Umständen wie ein Material verhält - eine  Vorhersage aus der Quantenelektrodynamik.

Die Polarisation von elektromagnetischer Strahlung beschreibt, in  welcher Ebene im Raum eine Welle schwingt. Während alltägliche  elektromagnetische Strahlung, z.B. Sonnenlicht, unpolarisiert ist,  erzeugen Laser eine polarisierte Strahlung. Das ist für eine Vielzahl  von Experimenten von der Festkörperphysik bis zur Quantenoptik eine  wichtige Voraussetzung.

 

Zusätzliche Polarisatoren, wie sie am Helmholtz-Institut Jena  entwickelt werden, haben den Zweck, die Polarisationsreinheit weiter zu  verbessern, aber lange Zeit konnte die Grenze von einigen 10^-10, d.h.  von zehn Milliarden Photonen haben nur eine Handvoll die ungewünschte  Polarisation, nicht weiter verschoben werden. Kai Schulze, Erstautor der  Publikation, die nun bei Physical Review Research erschienen ist, fand  2018 heraus, dass die Divergenz der Synchrotronstrahlung, also die  Auffächerung des Strahls, der Grund für diese Grenze ist. „Um eine  weitere Verbesserung der Reinheit zu bekommen, musste also eine Quelle  mit besserer Divergenz her,“ sagt der Physiker, der am HI Jena die  Arbeiten zur Vakuumdoppelbrechung leitet und mitverantwortlich für  verwandte DFG-Forschungsprojekte an der Universität Jena ist. „Die  Inbetriebnahme des europäischen Röntgenlasers, European XFEL, in  Schenefeld bei Hamburg stellte dafür die Weichen.“

Gemeinsam mit Wissenschaftler*innen der Friedrich-Schiller-Universität  Jena sowie des Helmholtz-Zentrums Dresden Rossendorf entwickelten  Schulze und sein Team ein Experiment-Setup am European XFEL, das dank  besonderer Polarisatorkristalle, einer sehr präzisen Justage und eines  stabilen Aufbaus einen neuen Reinheitsrekord von 8×10^−11 aufstellte.  Dieser neue Reinheitsrekord ermöglichte bereits eine Reihe von  Experimenten zur Quantenoptik im Röntgenbereich und zur  Ladungsverteilung in Festkörpern. Besonderes Interesse gilt allerdings  dem Nachweis der sogenannten Vakuumdoppelbrechung.

Die Wechselwirkung von Licht mit Licht wurde bereits 1936 von Werner  Heisenberg und Hans Euler beschrieben, aber bisher auf der Erde noch  nicht direkt beobachtet. „Die Vakuumdoppelbrechung ist derzeit der  vielversprechendste Effekt Licht-Licht-Wechselwirkung direkt  nachzuweisen“, erklärt Schulze. „Dabei ändert sich die Polarisation  eines Probestrahls, wenn dieser im Vakuum mit einem sehr intensiven  zweiten Lichtstrahl kollidiert. Das Vakuum wirkt somit wie ein  doppelbrechender Kristall, der ebenfalls die Polarisation beeinflusst;  daher der Name. Der Effekt ist extrem klein, wächst jedoch mit kleiner  werdender Wellenlänge des Probestrahls. Präzise Polarisatoren im  Röntgenbereich bieten daher ein gutes Werkzeug, um den Effekt  nachzuweisen.“

Das High Energy Density-Instrument am European XFEL werde künftig die  idealen Bedingungen für solch ein Experiment bieten, erklärt Schulze  weiter. Und das Forschungsteam hat nun ein Setup, mit dem kleinste  Polarisationsänderungen messbar sind. Der Nachweis der  Vakuumdoppelbrechung würde nicht nur die Fundamente der  Quantenelektrodynamik weiter untermauern, sondern, falls Abweichungen  von den theoretischen Erwartungen auftauchen, auch Hinweise auf bisher  unbekannte Elementarteilchen geben (wie Axionen, oder Millicharged  Particles). „Wir hoffen in den nächsten Jahren die ersten Versuche zum  Nachweis starten zu können.“

Auch für zukünftige Experimente am Teilchenbeschleunigerzentrum FAIR  wäre ein Nachweis des Phänomens interessant. „Wenn es uns gelingt die  Vakuumdoppelbrechung zu vermessen, wird dies helfen die Messdaten von  FAIR zu interpretieren. Dort wird u.a. die Vakuumpolarisation eine Rolle  spielen, die eng mit der Vakuumdoppelbrechung verknüpft ist“, so  Schulze.

Diese Pressemitteilung mit druckfähigen Fotos finden Sie unter: 
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